Bell-Lähmung und Akupunktur

 

Was ist eine Fazialisparese?

Die Fazialisparese – umgangssprachlich auch Bell-Lähmung genannt – ist eine plötzlich auftretende neurologische Erkrankung, die zu einer teilweisen oder vollständigen Lähmung der mimischen Muskulatur auf einer Gesichtshälfte führt. Diese Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, betrifft jedoch vor allem Menschen mittleren und höheren Alters. Sie entwickelt sich meist abrupt, oft ohne erkennbare Vorzeichen, und kann den Alltag erheblich beeinträchtigen: Sprechstörungen, Essprobleme und psychische Belastungen sind häufige Begleiterscheinungen.

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Einblick in die Ursachen, Symptome und den Verlauf der Fazialisparese sowie in die Behandlungsmöglichkeiten aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (akupunktura), insbesondere der Akupunktur. Besonderes Augenmerk gilt der Bedeutung eines frühzeitigen Therapiebeginns und den wissenschaftlichen Nachweisen für die Wirksamkeit der Akupunktur bei dieser Erkrankung.


Ursachen und Risikofaktoren der Fazialisparese

Die Rolle von Kälteeinwirkung und Infektionen

Die genaue Ursache der Bell-Lähmung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Klinische Erfahrungen und epidemiologische Studien haben jedoch mehrere begünstigende Faktoren identifiziert. Zu den häufigsten Auslösern zählen eine plötzliche Kälteeinwirkung auf das Gesicht – etwa durch Zugluft oder kalten Wind – sowie akute Infektionen der oberen Atemwege (meist des Nasen-Rachen-Raumes). Diese Faktoren führen zu Entzündungen, Schwellungen und einer vorübergehenden Leitungsstörung des Nervus facialis, was letztlich zur Lähmung der betroffenen mimischen Muskulatur führt.

Alter und weitere begünstigende Faktoren

Obwohl die Fazialisparese in jedem Lebensalter auftreten kann, ist sie bei Menschen mittleren und höheren Alters häufiger. In manchen Fällen liegen Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Immunschwäche oder andere Stoffwechselerkrankungen vor, die die Empfindlichkeit des Nervensystems erhöhen.


Symptome: Woran erkennt man eine Fazialisparese?

Typische Symptome

Die Fazialisparese entwickelt sich in der Regel plötzlich, innerhalb weniger Stunden oder eines Tages. Der oder die Betroffene bemerkt eine einseitige Lähmung der mimischen Muskulatur, die von folgenden Symptomen begleitet sein kann:

  • Unfähigkeit, die Stirn zu runzeln oder die Augenbrauen anzuheben (Verschwinden der Stirnfalten)

  • Unvollständiger Lidschluss, erschwertes Schließen des Auges auf der betroffenen Seite

  • Herabhängender Mundwinkel auf der betroffenen Seite und Zug des Mundwinkels zur gesunden Seite

  • Mundtrockenheit, Essprobleme: Speisen oder Flüssigkeiten können leicht auf der gelähmten Seite aus dem Mund laufen

  • Sprechstörungen durch beeinträchtigte Lippenbewegung (z. B. erschwerte Bildung von Zischlauten)

  • Übermäßiges Tränen oder Trockenheit des Auges auf der betroffenen Seite (durch unvollständigen Lidschluss)

  • Abgeflachte oder verschwundene Nasolabialfalte

Begleitende neurologische Symptome

In einigen Fällen können weitere neurologische Symptome auftreten:

  • Geschmacksverlust oder -minderung auf den vorderen zwei Dritteln der Zunge auf der betroffenen Seite

  • Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen (Hyperakusis), da die Lähmung des Steigbügelmuskels (Musculus stapedius) die Dämpfung von Trommelfellvibrationen beeinträchtigt


Komplikationen: Was passiert bei verzögerter oder ausbleibender Behandlung?

Die Fazialisparese ist in der Regel eine gutartige, selbstlimitierende Erkrankung mit hoher Spontanheilungsrate – besonders bei rechtzeitiger Therapie. Bleibt die Behandlung jedoch aus oder erfolgt sie zu spät, können folgende Komplikationen auftreten:

  • Anhaltende Kontraktur (Verkürzung) der betroffenen Gesichtsmuskulatur

  • Abnorme Gesichtszuckungen, Muskelkrämpfe, Taubheitsgefühle

  • „Synkinesien“: Unwillkürliche Mitbewegungen, z. B. Schließen des Auges beim Lächeln oder umgekehrt

  • Chronisches Tränen oder trockene Augen

  • Dauerhafte Gesichtssymmetrie mit erheblichen Auswirkungen auf Lebensqualität und Psyche


Die Rolle der Akupunktur in der Behandlung der Fazialisparese

Wissenschaftliche Evidenz: Je früher, desto besser

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) nimmt die Akupunktur bei der Behandlung der Fazialisparese einen besonderen Stellenwert ein. Klinische Studien und großangelegte, kontrollierte Untersuchungen zeigen eindeutig, dass der Behandlungserfolg eng davon abhängt, wie früh nach Auftreten der Symptome mit der Akupunktur begonnen wird.

Eine repräsentative klinische Studie mit großer Patientenzahl ergab folgende Ergebnisse:

  • Bei Patient:innen, die innerhalb von zwei Wochen nach Krankheitsbeginn mit der Akupunktur begannen, lag die vollständige Heilungsrate bei 77,2 %.

  • Wurde die Behandlung erst 2–4 Wochen nach Symptombeginn eingeleitet, sank die vollständige Heilungsrate auf 51,8 %.

  • Bei Patient:innen, die erst nach mehr als einem Monat mit der Therapie begannen, lag die Heilungsrate nach sechs Monaten nur noch bei 4,5 %.

Die Unterschiede sind statistisch hochsignifikant. Diese Daten verdeutlichen, dass eine frühzeitige Akupunkturbehandlung nicht nur eine schnellere und vollständigere Genesung ermöglicht, sondern auch das Risiko bleibender Komplikationen sowie den Bedarf an anderen medizinischen Therapien (wie Kortikosteroiden) senkt.

Irrtümer zur Akupunktur in der Akutphase

Früher wurde die Anwendung der Akupunktur in der akuten Phase der Fazialisparese teils kritisch gesehen, doch klinische Erfahrung und aktuelle Studien widerlegen diese Ansicht. Bereits in der anfänglichen, „oberflächlichen“ Krankheitsphase, wenn die Entzündung vor allem die peripheren Nerven betrifft, ist eine sorgfältig durchgeführte Akupunktur besonders vorteilhaft.


Akupunkturtherapie: Phasen, Techniken und begleitende Maßnahmen

Zeitpunkt der Behandlung und Therapiestrategie

Die Akupunkturbehandlung bei Fazialisparese lässt sich in zwei Hauptphasen gliedern:

  1. Akute Phase: In dieser Phase sucht die/der Patient:in meist aufgrund plötzlich aufgetretener Symptome Hilfe. Das Therapieziel ist es, den „Wind-Pathogen“ zu vertreiben, die lokale Durchblutung zu verbessern und Schwellungen rasch zu vermindern. Auf der Gesichtshälfte werden wenige Akupunkturpunkte genutzt, die Nadelung ist schonend und vorsichtig. Der Schwerpunkt liegt auf Punkten am Nacken und an den Extremitäten, ergänzt durch spezielle Lichttherapie (TDP-Lampe) zur Förderung der Mikrozirkulation.

  2. Erholungs- (chronische) Phase: Während der Genesungsphase werden vermehrt Gesichtspunkte akupunktiert, und es kommen intensivere Techniken wie Elektroakupunktur oder Durchstich zur Anwendung. Ziel ist die Wiederherstellung der Muskelaktivität, Förderung der Reinnervation und Vorbeugung von Komplikationen wie Krämpfen oder Asymmetrie.

Weitere unterstützende Behandlungen

Akupunktur kann bei Bedarf mit moderner Physiotherapie, Bewegungstherapie und chinesischer Phytotherapie kombiniert werden. Bei schweren Fällen mit tiefergehender Beteiligung können westliche Medikamente (z. B. Kortikosteroide, Virostatika) notwendig sein, wobei Akupunktur die Regeneration zusätzlich unterstützt.


Prävention und Tipps für den Alltag

Worauf sollte man achten?

Zur Vorbeugung einer Fazialisparese werden insbesondere in der kalten Jahreszeit folgende Maßnahmen empfohlen:

  • Vermeiden Sie plötzliche Kälteeinwirkung oder Zugluft im Gesicht (Wind, Klimaanlage usw.)

  • Kleiden Sie sich warm, tragen Sie Schal und Mütze bei Wind

  • Achten Sie auf gute Mundhygiene und reinigen Sie regelmäßig die Nasenhöhlen

  • Essen Sie viel frisches Obst und Gemüse zur Stärkung des Immunsystems

  • Sorgen Sie für ausreichend und erholsamen Schlaf

  • Betreiben Sie regelmäßig Sport – Bewegung fördert Durchblutung und Immunabwehr


Fazit: Akupunktur ist eine bewährte, wirksame und sichere Methode bei der Bell-Lähmung

Die Fazialisparese ist eine plötzlich auftretende, oft beängstigende Erkrankung. Doch die Kombination aus moderner Medizin und traditioneller chinesischer Heilkunst bietet eine besonders wirksame Lösung. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Akupunktur die Genesung beschleunigt, das Komplikationsrisiko senkt und die vollständige Wiederherstellung der Funktion fördert. Der Schlüssel liegt in der raschen Diagnose und dem frühestmöglichen Therapiebeginn – dies entscheidet maßgeblich über den Langzeitverlauf.

Wenn Sie eine plötzliche Gesichtssymmetrie, mimische Störungen, Sprech- oder Essprobleme bemerken, zögern Sie nicht! Suchen Sie schnellstmöglich eine/n Arzt/Ärztin oder Akupunktur-Fachperson auf, denn eine schnelle Therapie ist der Garant für Ihre rasche und vollständige Genesung! Hideg Piroska Természetgyógyász

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